Wohnungspolitische Herausforderungen durch Flucht und Migration

Beschluss der Delegiertenversammlung NRW, 19. September 2015, Essen

I. Der starke Zuzug von Flüchtlingen und anderen MigrantInnen führt zu großen Herausforderungen für den Bund, das Land und die Kommunen, aber auch für die MieterInnen und die Mietervereine. Hundertausende Flüchtlinge müssen kurzfristig untergebracht und versorgt werden. Damit es nicht dauerhaft zu menschenunwürdigen Lagerunterbringungen kommt, müssen diese Menschen schnell eine normale Wohnung bekommen. Das erhöht in allen Regionen den Nachfragedruck auf den Wohnungsmärkten, vor allem in den preisgünstigeren Segmenten. Damit die daraus folgenden Wohnungsengpässe sich nicht zu einer großen Wohnungsnot ausweiten, ist es jetzt erforderlich, schnell und entschlossen ein wohnungspolitisches Programm zur Mobilisierung der Versorgungsreserven im Wohnungsbestand und zum Bau von genügend sozialen Mietwohnungen auf den Weg zu bringen. Zugleich müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um dem Missbrauch der zu erwartenden Wohnraummangelsituation entgegenzuwirken.

Der Deutsche Mieterbund NRW bekennt sich zu der Verpflichtung Deutschlands und der Europäischen Union, Kriegsflüchtlingen und Verfolgten Zuflucht und Asyl zu gewähren. Er bekennt sich zu der Aufgabe, NRW als ein soziales Einwanderungsland zu gestalten, in dem alle Menschen das gleiche Recht auf eine angemessene Wohnung zu bezahlbaren Mieten haben.

Es ist damit zu rechnen, dass die Unterbringung, Wohnraumversorgung und Integration einer relativ hohen Anzahl von Flüchtlingen und MigrantInnen auch in NRW zu einer Daueraufgabe wird. Ein großer Teil der Flüchtlinge und MigrantInnen wird im Lande verbleiben. Die bisherigen Prognosen einer „schrumpfenden“ städtischen Bevölkerung sind damit in Frage gestellt.

Die Zuwanderung stellt keineswegs nur eine Belastung dar. Sie eröffnet auch neue soziale Perspektiven für die soziale Entwicklung unserer Städte. Dafür allerdings müssen die mit der Zuwanderung verbundenen Herausforderungen zur Integration mit wesentlich größerer Entschlossenheit und Weitsicht angenommen werden als das bislang der Fall war. In diesem Zusammenhang spielt die Wohnungspolitik eine wichtige Rolle.

Die Welle der Hilfsbereitschaft vieler Menschen in NRW bei der Aufnahme der Flüchtlinge ist eine große Hoffnung, dass es diesmal gelingen kann. In vielen (aber leider nicht allen) Städten in NRW hat man sich schon vor der aktuellen Einwanderungswelle zu einer Politik dezentraler Flüchtlingsunterbringung entschieden. Auch das ist ein Kapital, auf dem man aufbauen kann und muss.
Angesichts der aktuell starken Zuwanderung von Flüchtlingen muss vorübergehend zu Notunterbringungen in Turnhallen und anderen öffentlichen Räumen gegriffen werden. Diese Notbehelfe müssen schnell ersetzt werden durch reguläre Aufnahmeeinrichtungen mit ausreichender Ausstattung und Betreuung. Diese Einrichtungen sollten möglichst dezentral liegen und einen Zugang zu städtischer Infrastruktur gewähren.

Auch bessere Aufnahmeeinrichtungen sind aber allenfalls für eine kurze vorübergehende Unterbringung geeignet. Es muss und kann verhindert werden, dass wieder Asylbewerberheime entstehen, in denen die Menschen über Jahre keinerlei BewohnerInnenrechte besitzen. Dazu müssen in allen Städten Maßnahmen zur zügigen dezentralen Unterbringung der Menschen in Normalwohnungen mit individuellen Mietverträgen ergriffen werden.

Der zusätzliche Bedarf erhöht schon jetzt die Nachfrage nach Wohnraum in den preiswerteren Segmenten. Die daraus folgende Verknappung des Angebotes wirkt sich zum Beispiel dahingehend aus, dass andere Wohnungsnotfälle schwieriger vermittelt werden können oder dass Vermieter verwahrloste oder eigentlich zum Abriss vorgesehene Wohnungen zu hohen Preisen anbieten. Es entsteht die Gefahr, dass prekäre Wohnverhältnisse zunehmen und dass neue Wohnquartiere entstehen, in denen sozial benachteiligte BewohnerInnen auf skrupellose oder überforderte Vermieter treffen. Wenn nicht energische Maßnahmen in Bestand und im Neubau ergriffen werden, droht eine allgemeine Wohnraumverknappung mit steigender Obdachlosigkeit und Mietensprüngen.

Um diesen Gefahren zu begegnen, sollten alle betroffenen Kommunen schnell integrierte Wohnraumversorgungskonzepte erstellen. An der Erarbeitung sollten neben den Wohlfahrtsverbänden auch kooperationsbereite Mietervereine beteiligt werden. Land und Bund müssen erheblich mehr Mittel bereitstellen, um diese Konzepte umzusetzen.

Die erforderliche Erschließung der Versorgungsreserven im Bestand darf nicht einfach dem „Markt“ oder den Immobilienbesitzern überlassen werden. Die Mobilisierung und Vermittlung der Bestandsreserven muss vielmehr systematisch unter Federführung zentraler Fach- oder Stabstellen der Kommunen erfolgen. Die entsprechenden Instrumente, die sich u.a. im Wohnungsaufsichtsgesetz finden, sollten erweitert werden. Leerstand und Zweckentfremdung sollten flächendeckend genehmigungspflichtig sein und mit Bußgeldern geahndet werden. Die Kommunen sollten systematisch gegen die Vernachlässigung von Wohnungen im preisgünstigen Bestand vorgehen. Mieterhöhungen und Mietüberhöhungen können in Zusammenarbeit mit den Mietervereinen s überprüft werden. Im Notfall ist auch zu dem Instrument der Beschlagnahme zu greifen. Wichtig wäre auch, dass die Kommunen wieder eine kommunale Wohnraumvermittlung einführen und dass sich Wohlfahrtsverbände, Mietervereine und engagierte BürgerInnen an der Umsetzung beteiligen können.

Aus der drohenden Wohnungsknappheit gerade in den preisgünstigen Segmenten ergibt sich darüber hinaus die Notwendigkeit verschärftere Mietpreiskontrollen im Bestand. Die Gebietskulissen sowohl der Kappungsgrenzenverordnung als auch der Mietpreisbremse müssen zügig auf möglichst ganz NRW ausgeweitet werden.

Von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung des wachsenden Wohnungsbedarfs ist der bedarfsgerechter Ausbau des Angebotes an Wohnungen, die durch die öffentliche Förderung und/oder ihre (kommunalen, gemeinnützigen) Träger sozial gebunden sind. Dabei sollte auf Sonderbauprogramme für Flüchtlinge möglichst verzichtet werden, da dies zu Neid- und Konkurrenzeffekten in der Bevölkerung führen kann und weil es die Entstehung einseitig belegter Neubaugebiete mit den bekannten Nachteilen für die Integration begünstigen kann. Sonderwohnprogramme für Flüchtlinge sind dann überflüssig, wenn den Flüchtlingen Freizügigkeit und ein Zugang zum gesamten öffentlich gebundenen Wohnungsangebot gewährt wird. Wohnungslose Flüchtlinge und Migrantinnen müssen wie andere Wohnungsnotfälle Vorrang bei der Vermittlung von Belegrechtswohnungen genießen.

Es ist eine starke Aufstockung des Volumens der Wohnungsbaufördermittel durch Haushaltmittel des Bundes und des Landes erforderlich. Bislang erfolgt die soziale Wohnraumförderung fast ausschließlich aus den zurückgeflossenen Mitteln des ehemaligen Wohnungsbausondervermögens. Eine Nutzung von wesentlich mehr als den zur Zeit vorgesehenen 800 Mio. € im Jahr führt zu einem Abschmelzen des Vermögens, was tunlichst vermieden werden sollte. Der sich aus der Zuwanderung ergebende Mehrbedarf sollte deshalb aus öffentlichen Haushaltsmitteln gedeckt werden, wobei die Rückflüsse möglichst in einem neuen revolvierenden Fonds in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts für zukünftige Bauaufgaben gesichert werden sollten. (Siehe auch Antrag 11)

Es ist auch bei Zurverfügungstellung zusätzlicher Unterbringungs-Prämien an die Bauherren nicht zu erwarten, dass die bestehenden Träger des Wohnungsbaus aus eigener Kraft genügend Wohnraumfördermittel abrufen, um die erforderlichen Bauleistungen zu erbringen. Deshalb wird die Forderung nach einem neuen gemeinnützigen Sektor, der auf die Wohnraumversorgung der Bevölkerung und nicht auf Renditemaximierung verpflichtet ist, umso dringlicher. (Siehe Antrag 11). Da in diesem Falle dauerhafte Sozialbindungen und gesellschaftliches Wohnungsvermögen begründet werden, kann der erforderliche Wohnungsbau zusätzlich auch durch direkte Zuschüsse zum Eigenkapitalanteil der Baumaßnahmen gefördert werden.

Hauptansatzpunkt für die bedarfsgerechte Versorgung ist die Mobilisierung der kommunalen Wohnungsunternehmen im Rahmen einer solchen Wohnungsgemeinnützigkeit und reformierten Förderstruktur. Jedoch könnte auch ein Teil der Genossenschaften und anderer nicht erwerbsorientierter Träger für die Kooperation gewonnen werden. Nicht zuletzt könnten auch die Kommunen selbst als Bauträger tätig werden. Es kann jedoch auch erforderlich werden, neue regionale oder überregionale Wohnungsbauträger zu schaffen.

Die Deckung des gewachsenen Wohnungsbedarfs und die Integration vieler Menschen stellt auch eine städtebauliche Herausforderung dar. Die Kommunen sollten in ihrer Bodenpolitik und bei Baulandausweisungen dem sozialen Wohnungsbau in städtebaulich integrierten Lagen höchste Priorität einräumen. Eventuell müssen auch bestehende Bauleitpläne und Verfahren angepasst werden. Bei allem Handlungsdruck sollte nicht auf eine hohe Qualität und öffentliche Planung gerade auch größerer Bauvorhaben verzichtet werden. In diesem Bereich muss es in vielen Kommunen und Wohnungsunternehmen zu einer Aufstockung der Personalkapazitäten kommen.

II. Der DMB NRW beschließt die Einrichtung einer Kommission „Wohnraumversorgung und Migration“. Sie soll für alle Mitwirkenden in Mietervereinen offen sein.

Zu den Aufgaben gehören:

  • die Weiterentwicklung der Wohnungspolitik des Verbandes in den oben genannten Feldern,
  • die kritische Beobachtung und Begleitung der Unterbringungspolitik in den Kommunen und auf Landesebene,
  • die Diskussion und Entwicklung von praktischen Handlungsmöglichkeiten der Mietervereine.

Es bietet sich eine enge Verzahnung mit der Umsetzung der Anträge 11 (Neuausrichtung der Wohnraumförderung/Neue Gemeinnützigkeit) und 10 (Weiterentwicklung der Wohnungsaufsicht) an.

Das erste Treffen soll von der Geschäftsstelle noch im Oktober einberufen werden. Dort sollen die Verantwortlichkeiten geregelt werden Es sollten dann noch in diesem Jahr breitere Treffen stattfinden, zu denen auch externe ExpertInnen (Flüchtlingsrat, Bauministerium, Kommune, Caritas…) eingeladen werden sollen. Für einen nahen Zeitpunkt sollte auch die Organisation einer Tagung überlegt werden. 

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