Mieterbund NRW sieht Handlungsbedarf: Leerstand trotz Wohnungsnot - 1,9 Millionen Wohnungen in Deutschland sind nicht bewohnt.

NRZ | 19.07.2024

An Rhein und Ruhr. Während vor allem in den Großstädten Wohnungsnot herrscht, stehen 1,9 Millionen Wohnungen leer in Deutschland. Das ergeht aus den Zahlen des Zensus 2022, die kürzlich von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder veröffentlicht wurden. Demnach liege die Leerstandsquote bei 4,3 Prozent. Auch in NRW ist der Leerstand ein Problem, gerade auf angespannten Wohnungsmärkten, sagt Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Mieterbundes NRW, und fordert Gegenmaßnahmen. Dagegen ist für Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor des Eigentümerverbands „Haus & Grund“ Rheinland Westfalen, ein gewisser Leerstand für einen funktionierenden Wohnungsmarkt erforderlich.

Laut Zensus standen zum Stichtag am 15. Mai 2022 mehr als die Hälfte dieser Wohnungen bereits seit mehr als einem Jahr leer. Besonders groß ist den Daten nach der längerfristige Leerstand in Sachsen- Anhalt und Thüringen, wo etwa zwei Drittel der leerstehenden Wohnungen über zwölf Monate oder mehr ungenutzt blieben. In Hamburg und Berlin ist es jeweils etwa ein Drittel.

In NRW standen zum Stichtag von den rund 9,1 Millionen Wohnungen etwa 310.000 leer. Das entspricht einem Prozentsatz von 3,41 Prozent, der damit unter dem bundesweiten Schnitt liegt. Von den leerstehenden Wohnungen blieb aber auch hier knapp die Hälfte (circa 48 Prozent) länger als ein Jahr ungenutzt.

Große regionale Unterschiede

Der Leerstand unterscheide sich aber innerhalb des Landes, wie Mieterbund und Eigentümerverband bestätigen. „Der Leerstand ist oft dort zu finden, wo die Nachfrage gering ist. Das ist in NRW zum Beispiel in der Nordeifel oder dem Hochsauerlandkreis so“, erklärt Mieterbund-Chef Witzke. Dort seien Vermieter froh, wenn sie Mieter finden, die ihnen wenigstens einen Beitrag zum Unterhalt der Immobilie leisten. „Wenn dann auch die Qualität nicht stimmt, steht die Immobilie leer.“ Und Erik Uwe Amaya von „Haus & Grund“ erklärt, dass sich die Wohnungsmärkte auch innerhalb einer Stadt unterscheiden können. Besonders angespannt seien die Wohnungsmärkte aber vor allem entlang der Rheinschiene und in einzelnen Universitätsstädten. „Dort ist der Leerstand niedrig.“

Die Gründe für Leerstand sind vielfältig. Der Zensus 2022 gibt an, dass 24 Prozent der Wohnungen wegen Baumaßnahmen oder Sanierungen ungenutzt waren. Bei vier Prozent des Leerstands war ein Abriss des Gebäudes geplant. Hans-Jochem Witzke nennt aber auch Beispiele von älteren Vermietern, die eine Wohnung leer stehen lassen, weil sie sich die Vermietung nicht mehr zutrauen „oder sich möglichen Auseinandersetzungen mit Mietern nicht mehr gewachsen fühlen“.

Oder aber, sie reservieren eine Wohnung für einen Angehörigen. „Ich kenne ein Elternpaar, das im Mehrfamilienhaus eine Wohnung frei hält, in der Erwartung, die Tochter würde dort einziehen“, berichtet Witzke. „Die zieht es aber seit Jahren vor, in einiger Entfernung vom Elternhaus ihrerseits zur Miete zu wohnen.“ Allerdings sei es nicht selten, dass junge Leute, nachdem sie bereits einmal ausgezogen waren, etwa nach einer Trennung noch einmal vorübergehend nach Hause zurückkehren, sagt der Mieterbund- Vorsitzende weiter. „Auch ein Grund, warum Ältere nach der Familienphase Wohnungen vorhalten oder zu groß gewordene Wohnungen beibehalten.“

Für Eigentümer sei der Leerstand nicht von Interesse, betont indes Erik Uwe Amaya. „Vor allem bei vermieteten Objekten laufen Betriebskosten weiter. Mieteinnahmen sind zudem für Instandsetzungsmaßnahmen relevant.“ Bei größeren Objekten komme es allein aufgrund der Vielzahl der Wohnungen gelegentlich zu einem Leerstand. Und manchmal könne sich die Wiedervermietung schwierig gestalten. „Entscheidend ist aber auch hier der örtliche Wohnungsmarkt und die entsprechende Wohnungsnachfrage“, so der „Haus & Grund“-Direktor.

Für einen funktionierenden Wohnungsmarkt sei ein gewisser Leerstand erforderlich, setzt Amaya fort. Eine Leerstandsquote in der Spanne von drei bis fünf Prozent werde als angemessen betrachtet. Dies sei nötig, „wenn zum Beispiel Personen aus beruflichen Gründen neu in die Stadt ziehen müssen oder aber sich Lebensumstände geändert haben, die einen Umzug erforderlich machen, wie durch Familiennachwuchs, Trennung oder Tod des Partners“.

Dennoch haben die Kommunen die Möglichkeit, gegen den Leerstand vorzugehen. „In NRW ermöglicht dies das Wohnraumstärkungsgesetz, wenn eine Wohnung mehr als sechs Monate grundlos leer steht. Allerdings müssen die Kommunen von ihrer Satzungsermächtigung auch Gebrauch machen“, sagt Amaya.

Maßnahmen auch einsetzen

Auch Hans-Jochem Witzke fordert die Kommunen zum Handeln auf: „Der Leerstand ist eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Viel zu wenige Städte und Gemeinden erlassen aber Zweckentfremdungsverordnungen, um aktiv mit Bußgeldern dagegen vorzugehen. Es ist auch zynisch und asozial, Wohnraum leer stehen zu lassen, weil man es sich leisten kann, während andere in beengten Verhältnissen wohnen, weil sie es sich nicht anders leisten können“, meint er. Zweckentfremdungsverordnungen, wie sie unter anderem die Stadt Düsseldorf 2022 einführte, seien Mittel dagegen. „Das Instrument haben die Gemeinden, sie sollten es nutzen.“

 

© Mit freundlicher Genehmigung der NRZ (Tobias Kaluza, Redakteur)

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