LEG, Vonovia und Co. arbeiten sehr profitabel, aber auf Kosten der Mieter

Recherchen der Aachener Zeitung haben ein Schlaglicht auf die Praktiken großer Vermieter geworfen. Maximilian Fuhrmann vom Deutschen Mieterbund NRW ist überzeugt: Das Vorgehen hat auch in unserer Region Methode.

16 Jahre sind vergangenen, seitdem die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) privatisiert wurde. Heute bietet das börsennotierte Unternehmen 167.000 Wohnungen an, die meisten davon in NRW, rund 2300 in fast allen Kommunen der Städteregion. Recherchen unserer Zeitung haben offengelegt, dass die LEG offenbar viele ihrer Gebäude nicht ausreichend instand hält, oft sehr hohe Nebenkostenabrechnungen verschickt und Anträge auf Einsicht in die Belege nicht angemessen berücksichtigt.

Die Düsseldorfer Zentrale hat die Vorwürfe recht pauschal zurückgewiesen. Vom DeutschenMieterbundNRW hingegen werden sie vollumfänglich bestätigt. Es gibt dort sogar einen Mitarbeiter, dessen Aufgabengebiet in der Koordination zu Problemen mit großen Wohnungsunternehmen besteht: MaximilianFuhrmann. Im Gespräch mit unserem Redakteur Jan Mönch erklärt der promovierte Politikwissenschaftler die Strategien der Großvermieter, wieso die Privatisierung von Wohnraum ein großer Fehler war und das Versagen der Ampelkoalition in Berlin.

 

Herr Fuhrmann, Sie sind beim Deutschen Mieterbund NRW zuständig für große Wohnungsunternehmen. Wieso braucht es einen Mitarbeiter mit diesem Aufgabenfeld?

MaximilianFuhrmann: Unter dem Dach des DMB gibt es bundesweit rund 300 unabhängige Mietervereine. Wir haben gemerkt, dass die Probleme mit Unternehmen wie Vonovia oder LEG überall dieselben sind. Meine Aufgaben sind die Koordination und der Informationsfluss zwischen den Vereinen. Das ist das eine. Das andere ist das Herstellen von Öffentlichkeit, weil diese Unternehmen durch ihre Größe enormen Einfluss auf den Wohnungsmarkt haben.

 

Unsere Recherchen zur LEG haben ergeben, dass sich um Gebäudemängel nicht ausreichend gekümmert wird, dass extrem hohe Nebenkosten abgerechnet werden und die Einsicht in Belege verweigert wird.

Fuhrmann: Gerade bei den börsennotierten Unternehmen beobachten wir dieses Verhalten sehr häufig. Wohnen wird nicht als Gemeingut gesehen, sondern als Anlage, aus der Rendite gezogen wird. Das zieht bestimmte Strategien nach sich. Es wird weniger im Sinne der Mieter gehandelt als es beispielsweise bei kommunalen Unternehmen der Fall ist.

 

Der Deutsche Mieterbund NRW hat unlängst in einer Pressemitteilung festgestellt, dass an der Börse gehandelter Wohnraum zu einer „Umverteilung von unten nach oben“ beitrage. Wie ist das gemeint?

Fuhrmann: Im Jahre 2021 beispielsweise zahlten die Mieterinnen und Mieter der LEG bis zum 6. Juni nur die Dividende an Fonds, institutionelle Anleger und Privatpersonen. Fast ein halbes Jahr. Anders ausgedrückt: Von jedem Euro Miete sind 43 Cent Profit. Es gibt einen sehr starken Renditedruck, und deshalb wird an Instandhaltung und Service gespart und die Miete maximal erhöht. Wohnen ist ganz einfach kein Gut, das an der Börse gehandelt werden sollte.

 

Die LEG bietet offenbar keinen übermäßig attraktiven Wohnraum an. Trotzdem hat sie keine größeren Probleme, ihre Wohnungen zu vermieten. Wird die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt gezielt ausgenutzt?

Fuhrmann: Ja. Bei dem Druck, der auf dem Wohnungsmarkt herrscht, bei Leerstandsquoten von unter zwei Prozent in vielen Städten finde ich immer eine Mieterin oder einen Mieter. Und die bleiben, weil andere Wohnungen noch teurer sind.

 

Die Finanzindustrie hat nach der Jahrtausendwende 1,2 Millionen gemeinnützige Wohnungen aufgekauft. Wie konnte es dazu kommen?

Fuhrmann: Der große Fehler war die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989. Bis dahin boten die Kommunen, die Gewerkschaften, die Kirchen und auch Industrieunternehmen in Form von Werkswohnungen einen sehr großen Wohnungsbestand mit gedeckelten Mieten an. Das hat auf den Markt ausgestrahlt. Nach 1989 wurden viele Bestände verkauft und privatisiert. Die Auffassung, dass der Markt es besser kann als der Staat, war falsch und fällt uns heute auf die Füße.

 

Welche politischen Akteure haben das zu verantworten?

Fuhrmann: Die Farben waren überraschend bunt. Zur Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit kam es unter Helmut Kohl. Die LEG wurde von einer schwarz-gelben Landesregierung privatisiert. Aber in Berlin beispielsweise hat Rot-Rot viele Wohnungen privatisiert, unter Finanzsenator Thilo Sarrazin. Das Tafelsilber wurde verscherbelt.

 

Ist ein Szenario denkbar, in dem das Rad zurückgedreht wird?

Fuhrmann: Die Verschuldung und die Zinslast der börsennotierten Wohnungsunternehmen sind durch den Zinssprung enorm angestiegen. Zugleich werden die Immobilien abgewertet. LEG und Vonovia wollen Bestände verkaufen und bieten sie den Kommunen an. Es gibt also eine leichte Tendenz zur Rekommunalisierung. Ob es klug ist, Wohnungen zum Vielfachen zurückzukaufen, zu dem man sie einst verkauft hat, muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

 

Die LEG wurde 2008 unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers privatisiert. Worin bestanden die Konsequenzen?

Fuhrmann: Es gab für die Dauer von zehn Jahren eine Sozialcharta, die die Belange der Mieter, aber auch der Belegschaft schützen sollte. Der Schutz war aber nicht wirklich intensiv. Die Käuferin Goldman Sachs hat dann die Strategie geändert: Es wurde möglichst wenig in die Instandsetzung investiert und wenn doch, dann wurden teure Modernisierungen vorgenommen, die auf die Miete umgelegt werden konnten. Was die Mieter auch berichtet haben, ist, dass sie plötzlich keine Ansprechpartner mehr fanden, ewig in Warteschleifen hingen und dann in irgendwelchen Call Centern gelandet sind.

 

Uns wurde übereinstimmend geschildert, dass die Nebenkosten sehr hoch abgerechnet werden und dann die Einsicht in die Belege verweigert wird.

Fuhrmann: Das Problem haben wir auch ganz massiv bei Vonovia. Leute sollen plötzlich 6000 Euro nachzahlen. Entweder werden gar keine Belege geschickt oder man wird mit Hunderten Seiten an Unterlagen zugemüllt. Das macht die Leute mürbe, das macht den Leuten Angst. Und bei unseren Vereinen bindet es viele Ressourcen.

 

Wenn, nur als Beispiel, acht von zehn Mietern die Abrechnung zähneknirschend akzeptieren, hat die Masche sich gelohnt.

Fuhrmann: Absolut. Eine perfide Strategie.

 

Wozu raten Sie?

Fuhrmann: Zwei Dinge sind zentral: Eine Mitgliedschaft im Mieterverein, der eine seriöse Rechtsberatung anbieten kann. Und zweitens mit den Nachbarn zu reden, sich zusammenzuschließen, gemeinsam zu handeln. In manchen Siedlungen haben sich schon Prüfgemeinschaften gebildet.

 

Wieso schafft die Politik es nicht, Entspannung in den Wohnungsmarkt zu bringen?

Fuhrmann: Was da auf Bundesebene läuft, ist eine Katastrophe. Der Koalitionsvertrag sieht vor, Mieterhöhungsmöglichkeiten zu kappen und die Mietpreisbremse zu verlängern. Das wird alles vom liberalen Justizminister Buschmann blockiert. Wir haben mit der FDP einen Akteur in der Regierung, der Klientelpolitik für Finanzakteure und Vermieter macht. Da ist einfach ein Widerspruch in der Koalition. Aber auch bei den Bemühungen von SPD und Grünen sehe ich Luft nach oben.

 

Wieso wird das Problem nicht mit größerer Ernsthaftigkeit angegangen?

Fuhrmann: Politiker sind auf kurzfristige Erfolge angewiesen. In der Baupolitik sieht man die Erfolge aber erst in ein paar Jahren. Das Schlimme ist, dass viele Menschen sich mittlerweile mit der Situation abgefunden haben, dass sie 40 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung ausgeben, dass sie als vierköpfige Familie auf 50 Quadratmetern leben. Die Politik verspricht Lösungen, tut aber viel zu wenig. Das ist gefährlich und entfremdet die Menschen weiter von der Politik und nicht selten auch von der Demokratie.

 

Weiterer Artikel vom 26.06.2024:

Sandra Keilhauer, Geschäftsführerin des Mieterschutzvereins Aachen e.V., im Gespräch mit der Aachener Zeitung

Kontakt zur Landesgeschäftsstelle

Deutscher Mieterbund
Nordrhein-Westfalen e.V.

Kreuzstraße 60
40210 Düsseldorf
Tel.: 0211/586009-0
mieter@dmb-nrw.de 

Mietervereine NRW

Hier bekommen Sie Recht

Mieterverein-Suche nach Ort
oder Postleitzahl

Zur Erstellung der jährlichen Betriebskostenspiegel ist ausreichendes Datenmaterial notwendig.

Bitte unterstützen Sie uns und stellen auch Sie uns Ihre Betriebskosten-Daten zur Verfügung.

Zur Dateneingabe

Errechne Deine Mietenbilanz

Mach Deine Mietentwicklung sichtbar und schick sie direkt an Deinen Abgeordneten!

Eigene Bilanz errechnen!

Sie möchten Energie sparen? Wir möchten Ihnen dabei helfen.
Checken Sie hier ihren Energieverbrauch und erhalten Sie wertvolle Energiespartipps von CO2online

online-checks

Mieterführerschein

Tipps für die erste eigene Wohnung: Kurze Starthilfe mit den wichtigsten Eckpunkten zum kostenlosen Download